„... Wag´ es getrost, und du wirst es nicht bereuen. Eigentümliche Freuden und Genüsse werden dich begleiten.

Du wirst Entdeckungen machen, denn überall, wohin du kommst, wirst du vom Touristenstandpunkt aus, eintreten wie in ein jungfräuliches Land...“

(Theodor Fontane)



Topografie


Das von Theodor Fontane beschriebene Land ist 150 Jahren nach dieser notierten Beobachtung noch immer beinahe unberührt. Die Ruppiner Heide gehört zu den  ursprünglichsten Naturregionen Deutschlands. Statt Zersiedelung findet man hier ca. 20 Gemeinden, die entlang des Rheinsberger Seengebietes, der Ruppiner und Kyritzer Seenkette wie Perlen aus der wald- und feldreichen Landschaft der Ostprignitz auftauchen. Den Kirchen kann man ihre frühen Gründungen im 14. Jahrhundert ansehen, die Dorfanlagen deuten auf die Voraussicht des 16. Jahrhunderts, Baumalleen und Bürgerhäuser der Städte künden von barockem Wohlstand. Aus Rheinsberg schrieb Friedrich der II. Briefe an Voltaire und Zeugen des 19. Jahrhundert sind allerorts präsent in Werken der Schüler Karl Friedrich Schinkels, der in Neuruppin geboren wurde. Das Ruppiner Land ist eine einmalige Symbiose aus Natur- und Kulturlandschaft. Wenn man aus Berlin kommt, glaubt man nach der einstündigen Fahrt kaum, dass ein solches Reservat der Stille und Unberührtheit wirklich anzutreffen ist. Idyllische Dörfer an klaren Seen, Luftkurorte an ruhespendenden Wäldern, biologische Landwirtschaft, intakte Wildbestände, Städte mit kulturellem Leben: ist das ein Traum? Ist dieser Traum zu Ende? Kann ein Traum Realität bleiben? 


Ausgangspunkt


Mitten im Herzen dieser unberührten Landschaft plant die Bundeswehr den Ausbau des sogenannten Bombodroms, einen 14 000 Hektar großen Truppenübungs-, Flug- und Bombenabwurfplatz. Eine Realisierung würde durch die entstehende kontinuierliche Kriegssimulation das Gebiet auf allen Ebenen zerstören. Diese Vorstellung ist für die ca. 50.000 Einwohner des Ruppiner Landes sowie den Außenstehenden so absurd wie inakzeptabel. Seit vielen Jahren gibt es deshalb starke Gegenbewegungen, die mittlerweile eine große überregionale und parteienübergreifende Ausstrahlung erreicht haben. Besonders aktiv sind die Bürgerinitiativen Freie Heide und Pro Heide, die Unterstützung vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und zahlreichen kleineren Gruppen erhalten. Jährliche Ostermärsche, die Errichtung von Mahnmalen und starke mediale Präsenz zeigen, wie außergewöhnlich groß die Aktivität der Menschen ist, die am Erhalt der einmaligen Kulturlandschaft interessiert sind. Laufende Prozesse beim Verwaltungsgericht sind noch nicht abgeschlossen. In gemeinsamer Überlegung wollen die genannten Initiativen die Aufmerksamkeit für die Region nun über die politisch und ökologisch engagierten Gruppen hinaus erweitern. Gemäß ihrem Motto Frieden kommt nicht mit Gewalt streben der DGB und die Bürgerinitiativen Freie Heide und Pro Heide  ein Ausstellungsprojekt an, dass überregional agierende Kunst-,  Kulturschaffende und --freunde in die Aktionen zum Erhalt der Landschaft einbezieht. 

 


...So himmlisch alles klingt als wie im Vaterhaus
und über die Lerchen schwingt die Seele sich hinaus.

(Theodor Fontane)



Mobile Region


Der für seine breit angelegten Kunstprojekte bekannte freie Kurator Erik Bruinenberg wurde eingeladen, eine Ausstellung zu konzipieren, die den topographischen Hintergrund in den Mittelpunkt stellt und dabei zugleich diese Dimension erweitert. Mit dem Projekt Bomb-O-Dream  werden qualitativ hochkarätige nationale und internationale Kunstprojekte in die regionalen Gegebenheiten integriert, so daß eine Verbindung entsteht, von der besondere Anziehungskraft ausgeht. Die Menschen, die im Ruppiner Land leben, werden ebenso angesprochen wie die Kulturinteressierten aus Berlin, Hamburg und anderen Städten. Entweder individuell mit dem Auto beziehungsweise Fahrrad oder mit Bussen von Neuruppin aus kann eine Kultur-Route besucht werden, die sich an den einzelnen Dorfkirchen entlang bewegt. In den Kirchen werden Kunstwerke wie Videoinstallationen oder interaktive Performances zu erleben sein. Neonbeleuchtete Türme in der Umgebung weisen schon weit über die Orte hinaus darauf hin, dass sich hier etwas Besonderes abspielt. Die Hangars von Neuruppin und/oder Wittstock werden zur Projektionsfläche von Film- und Musikaufführungen. Vergleichbare großflächige kulturelle Aktionen zeigen, dass Kunst und Kultur dann zu Magneten werden, wenn sie nicht elitär, sondern im Dialog mit ihrem Bezugsraum gestaltet werden. Die Mobilität und Verbindung zwischen den Teilen der Region, die durch das Bombodrom voneinander getrennt sind, soll unterstrichen werden. Da an einigen Orten, wie z.B. in Netzeband bereits Kunsträume existieren, können diese einbezogen werden und erhalten somit einen neuen Impuls. Es ist offensichtlich, dass die Einwohner des Ruppiner Landes sehr aktiv sind. Diese Aktivität soll aufgenommen, dem Besucher angeboten und auf ihn übertragen werden. In den Monaten Juli und August machen Menschen, die in Städten wohnen, gerne Ausflüge an Badeseen und kühle Wälder. Mit dem Besuch der Ausstellung Bomb-O-Dream  können sie den kurzen Naherholungs- mit einem Kunsterlebnisurlaub verbinden.



Kunst


Da  die vorgeschlagenen Künstler alle grundsätzlich ortsbezogen arbeiten, bedeutet die historische Ladung, die ein Ort in sich birgt, für sie einen wesentlichen Arbeitsaspekt. Die Künstler machen mit ihren Werken Gegensatzpaare deutlich, die sich nur im Vergleich  erschließen. So vergegenwärtigen sie beispielsweise Gegensätze wie Krieg und Frieden, intakte Natur und zerstörte Natur, Geschichte und Zukunft. Bereits der Titel Bomb-O-Dream verdeutlicht, dass es einerseits um die Realität, nämlich die Anwesenheit von militärischem Alltag, und andererseits um den Traum einer Alternative geht. Thematisch lassen sich alle Arbeiten aus einer christlich humanistischen Ethik heraus verstehen, sind jedoch keine sakrale Kunst. Da Kirchen ihre Aufgabe heutzutage immer mehr in der sozialen, kulturellen und globalen Verantwortung sehen, bilden sie eine ideale Behausung für die Kunstwerke bzw. -aktionen;  und zwar nicht nur aus infrastruktureller, sondern vor allem aus ethischer Sicht. Egal ob in baulich intaktem oder lädierten Zustand: als eindeutigen Orientierungspunkt findet auch ohne Vorkenntnis jeder die Kirche. Der Besucher wird überrascht sein, von der Verknüpfung des alten Gemäuers mit moderner, performativer, zum Teil elektronisch basierter (Klang-) Kunst.


Ziel


Mit der Ausstellung Bomb-O-Dream wird das Ruppiner Land auf kulturelle Weise ins Visier genommen. Zentrale Punkte werden künstlerisch markiert und somit als friedliche, kommunikative und zukunftsorientierte Orte bekanntgemacht. Das Projekt bietet den Ansatz, das Areal für langfristige kulturelle Arbeit weiterzuentwickeln. Durch intensive Pressekampagnen und logistische Organisation vorbereitet, soll mit Hilfe der Ausstellung von der Ruppiner Natur und Kultur deutschlandweit Notiz genommen werden. Mit einem vielfältigen Rahmenprogramm, das Konzerte, Lesungen und Bildungsveranstaltungen umfaßt, können der regionalen Bevölkerung kulturelle Höhepunkte angeboten werden, die zu weiteren Perspektiven inspirieren und ermutigen  sollen. Wie beim Neuruppiner Bilderbogen geht es um historische, soziale und kulturelle Bildung für eine breite Zielgruppe. Bomb-O-Dream will gegen Kriegsplanung, für kulturelle Verständigung Akzente setzen. Echte Strukturen lassen sich nicht aufstempeln. Aus Träumen können sie erwachsen und müssen gepflegt und erhalten werden. Das ist die Aufgabe dieser Ausstellung.